Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss hier als Kreishandwerksmeister vorweg zunächst einmal etwas loswerden: Wir haben heute im Zusammenhang mit der Kürze der Gesetzgebungsverfahren und durch die Ausführungen des GBD des Öfteren gehört, dass hier „handwerkliche Fehler“ gemacht werden. Die Begrifflichkeiten „Fehler“ und „Handwerk“ zusammenzubringen, also in einen Kontext zu bringen, und dadurch gerade jungen Menschen zu suggerieren „Handwerk verbinde ich irgendwie mit Fehler“, finde ich nicht gut. Ich wäre sehr dankbar, wenn wir uns auf „inhaltliche Fehler“ einigen könnten. Ich glaube, das trifft das Ganze sehr gut.
Nun aber zum Thema. Um uns alle einleitend noch einmal auf den gemeinsamen Sachstand zu bringen: Der Wohnungsbau, der wichtigste Impulsgeber des Bauhauptgewerbes, leidet an einer eklatanten Nachfrageschwäche. Es wurden in den letzten beiden Jahren im Wohnungsbau vor allem die Auftragsbestände abgebaut. Neue Wohnungsbauaufträge kommen zu wenig nach. Bereits im vergangenen Jahr mussten die Wohnungsbaufirmen real fast 20 % weniger Aufträge verkraften als 2022. Im ersten Quartal 2024 verzeichnen die Wohnungsbauunternehmen nun einen gegenüber dem niedrigen Vorjahresniveau weiteren Rückgang um real 6 %. Bei einer Konjunkturumfrage im Frühjahr 2023 hatten 40 % der Wohnungsbaubetriebe ein negatives Urteil zum Auftragsbestand und zur Zukunftsperspektive abgegeben.
Im Herbst 2023 waren es 55 %, jetzt sind es über 60 %, die mit „schlecht“ votieren. Seit dem Vorjahr belegen fehlende Aufträge den Spitzenplatz unter den Baubehinderungsgründen. Mit Blick auf die Baufertigstellungszahlen in 2023 und die Bauantragszahlen in 2024 kann entgegen der Ausführungen von Bundesministerin Frau Geywitz keine Rede davon sein, dass sich die Lage am Bau stabilisieren würde.
An den Wohnungsbauzahlen ist deutlich zu erkennen: Bauherren und Investoren warten dringend auf politische, nachhaltige Impulse. Immer wieder neue politische Ankündigungen reichen nicht aus und eine Umsetzung im nächsten Jahr schon gar nicht. Jetzt wäre es an der Zeit, meine Damen und Herren, die Zinssätze der KfW-Programme zu senken und landesseitig zinsstützende Programme der NBank für freifinanzierten Wohnungsbau und Eigentum aufzulegen.
Jetzt müssen wir die bürokratischen, die energetischen und die technischen Anforderungen runterschrauben. Sie sind der Hauptgrund, dass die Baukosten in den vergangenen vier Jahren um 40 % gestiegen sind. Hier liegt das Potenzial für einen Wohnungsbauboom. Wir müssen entfesseln!
Meine Damen und Herren, damit sind wir beim Punkt: Die Novelle der NBauO ist ein richtiger Ansatz, um schneller, einfacher und vor allem günstiger zu bauen. Wohnungsmangel nicht nur im geförderten Bereich, sondern auch im freifinanzierten Mietwohnungsmarkt sowie im Bereich des Eigentums ist nämlich mittlerweile zum sozialen Sprengstoff geworden.
Aus genau diesem Grund haben wir als CDU-Fraktion einen ersten Schritt hin zu weniger Staat und mehr Gestaltungsspielraum so konstruktiv mit vielen Änderungsvorschlägen begleitet. Durch unseren Änderungsvorschlag, der die Beratungen des Ausschusses neben den umfänglichen Ausführungen des GBD wesentlich getragen hat, haben wir beispielsweise das serielle Sanieren durch Änderungen der Bauteiltiefen an Fassaden und Dach den praktischen Gegebenheiten angepasst.
Durch unseren Änderungsvorschlag haben wir, auch wenn die regierungstragenden Fraktionen zur letzten Beratung kurz vor knapp einen ähnlich lautenden Vorschlag eingebracht haben, das faktische Berufsverbot der Innenarchitekten bei den Anwendungen der neuen § 62 Abs. 1 a und § 85 a abwenden können. Auch heute zum Plenum haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, um den dringenden weiteren Handlungsbedarf zu verdeutlichen.
Meine Damen und Herren, das, was wir heute verabschieden, ist aufgrund der viel zu kurzen Beratungszeiten mit konstruktiven Mängeln behaftet, die es zu beheben gilt. Kollegin Thiemann hat soeben schon die kurze Beratung zur Änderung der Ingenieur- und Architektengesetze bemängelt.
Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Dieser Zeitdruck ist für die Akzeptanz des grundsätzlichen Themas Wohnungsbau nicht förderlich. Das sehen wir auch an dem von Rot-Grün am Freitag noch eingebrachten Änderungsantrag, der mit Sicherheit nicht den Fraktionsfedern entsprungen ist, sondern aus dem Ministerium stammt, um elementare Fehler über diese Einbringung noch zu korrigieren. Ganz ehrlich: Auch mit diesem Änderungsantrag wird die Genehmigungsfiktion nach § 70 a nicht zum Fliegen gebracht.
Vizepräsidentin Barbara Otte-Kinast:
Eine kurze Atempause! Es gibt Bedarf nach einer Zwischenfrage, von dem Kollegen Sachtleben. Möchten Sie die zulassen?
Ja, wunderbar - wenn das nicht auf mein Zeitkonto geht.
Es ist nicht meine Absicht, dass das auf Ihr Zeitkonto geht. Herr Frölich, Sie haben eben in Ihrer Einführung bemängelt, dass viele Maßnahmen erst im nächsten Jahr greifen werden, haben dann ein bisschen zugegeben, dass die Novellierung der NBauO tatsächlich eine Maßnahme ist, die jetzt zieht, um nun zu sagen: Die Beratung war viel zu kurz; wir brauchen mehr Zeit.
Damit würden wir in das nächste Jahr kommen. Die ganzen Verbände haben in der Beratung gesagt: Kommt in die Pötte! Macht es vor der Sommerpause, damit wir den Bausommer nicht verlieren! - Wie können Sie mir diesen Widerspruch erklären?
Dass diese Novelle der NBauO dazu führt, dass wir jetzt im Sommer schon Auswirkungen spüren, das wird nicht funktionieren, Kollege Sachtleben. Das ist ja eher ein Wunsch als Realität.
Ich möchte ganz gerne weiter ausführen: Wir sind ja ‑ das haben wir in den Ausschussberatungen signalisiert ‑ grundsätzlich einer Meinung. Aber es gibt eben doch ein paar Punkte, auf die wir hinweisen müssen und bei denen ich froh bin, dass wir in den Ausschusssitzungen darauf hingewiesen haben, um wenigstens noch einiges, was vielleicht in die falsche Richtung geht, korrigieren zu können.
Ganz ehrlich: Auch mit diesem Änderungsantrag zur Genehmigungsfiktion nach § 70 a werden wir diese Fiktion nicht zum Fliegen bringen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Die Baugenehmigungsbehörden blicken dieser Fiktion übrigens ziemlich gelassen entgegen, sodass wir eher über eine Beschleunigungsmaßnahme fürs Schaufenster sprechen müssen.
Ich will Ihnen hierzu ein kurzes Beispiel aus der Praxis schildern, wobei es sich um einen Sonderbau handelt ‑ okay! ‑, das aber sehr gut die Problemlage verdeutlicht: Einreichung eines Bauantrags für den Teilneubau einer Grundschule in der Gemeinde Rosdorf ‑ geschätztes Volumen: 15 bis 20 Millionen Euro ‑ beim Landkreis Göttingen im September letzten Jahres von einem renommierten Architekturbüro aus Kassel, das echt weiß, wie es geht. Und jetzt, im Mai, erhält die Gemeinde einen Fragenkatalog vom Landkreis mit über 40 Fragen. Wir haben als Kommune eigentlich mit der Baugenehmigung gerechnet, da wir jetzt in den Sommerferien den Teilabriss durchführen wollten. Das Ganze verschiebt sich jetzt um ein Jahr.
Meine Damen und Herren, genau das ist der Punkt: Aus Sicht der Baugenehmigungsbehörden wird es nie einen vollständigen Bauantrag geben, weil nicht definiert ist, was „vollständig“ ist oder was „wesentliche Mängel“ an einem Bauantrag sind. Dieses Beispiel lässt sich locker auf die Wohnungsbauprojekte übertragen, sodass die Genehmigungsfiktion von der her Idee charmant ist, diese jedoch an den konkreten Umsetzungen scheitern wird.
Ich möchte anhand verschiedener Punkte aus unserem Änderungsantrag konkretisieren, warum wir unmittelbar nach der Sommerpause schon gleich die nächste Novelle der NBauO aufrufen müssen.
Dazu frage ich Sie: Was ist, wenn durch die Erleichterung nach § 62 Abs. 1 a oder nach § 85 a durch die Aufstockung eines Gebäudes dieses in eine andere Gebäudeklasse kommt und dadurch dann eben doch der teure zweite Rettungsweg als verzinktes Treppenhaus draußen vorgeklatscht werden muss oder weitere Bedingungen dieser Gebäudeklasse zu erfüllen sind? Dann gehen unsere gewünschten Erleichterungen und Einsparpotenziale dahin. Ich sage Ihnen: Genau das wird passieren, da der typische Mietwohnungsbau in Städten dreigeschossig ist und ich mit der Aufstockung dann in die Gebäudeklasse 4 komme. Das muss geändert werden, sonst ist der § 85 a sinnlos.
Was tun wir eigentlich den Kommunen mit dem Wegfall der Stellplatzpflicht für Wohnungsneubauten an? Diesen kompletten Wegfall kann nur jemand fordern, der keine Ahnung von Kommunalpolitik hat
und noch nie aufgrund der massiven Nachverdichtung nach § 34 Baugesetzbuch mit Veränderungssperren arbeiten musste, um dann über einen Bebauungsplan und örtliche Bauvorschriften wenigstens noch etwas regeln zu können. Da geht es nicht darum, einen schönen städtebaulichen Vertrag mit dem Investor zu machen und dort Einstellplätze zu fordern. Nein, es geht unter anderem um unkontrollierte Nachverdichtung und um überforderte öffentliche Räume, die vollgeparkt werden.
Als CDU fordern wir daher ganz klar, den Kommunen weiterhin die Möglichkeit einzuräumen, über örtliche Bauvorschriften Stellplätze einzufordern. Das ist eine Aufkündigung der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Kommunen, was definitiv wieder geändert werden muss.
Ein weiterer Punkt, den der Minister landauf, landab im Zuge dieser Novelle ins Schaufenster gestellt hat und auf jeder Veranstaltung zum Thema Umbauordnung als großes Einsparpotenzial vorgerechnet hat, ist die Reduzierung der Anforderungen im Bereich der Barrierefreiheit. Hierzu haben wir sehr sensible praxis- und bedarfsgerechte Vorschläge gemacht, die aufgrund der Eile im Verfahren nicht mehr durch eine Anhörung hinterfragt werden konnten. Lieber Herr Minister Lies, Sie sollten solche Punkte zukünftig nicht mehr ankündigen, wenn sie vom eigenen Haus nicht aufgegriffen werden!
Dass der § 85 a nur im Mitteilungsverfahren nutzbar sein soll, ohne der Bauherrin oder dem Bauherrn die Möglichkeit einzuräumen, auch aus Verbraucherschutzgründen doch noch in das vereinfachte Genehmigungsverfahren zu wechseln und damit die Bauaufsicht aus der Verantwortung zu entlassen, ist eine weitere Fehlentwicklung, die es spätestens in der nächsten Novelle im Herbst zu ändern gilt.
Welchen permanenten Änderungsbedarf die NBauO gerade auch vor dem Hintergrund einer sich verändernden nachhaltigen Wirtschaft und Landwirtschaft hat, verdeutlichen unsere beiden Änderungspunkte zum Thema Bewerbung und Vermarktung regionaler landwirtschaftlicher Produkte in Verkaufsstellen auf den Höfen und die daraus resultierenden Änderungsbedarfe in den §§ 50 und 60 der NBauO. Hier geht es um sehr praktische Änderungen, um regionale Vermarktung zu ermöglichen.
Vizepräsidentin Barbara Otte-Kinast:
Dann gibt es noch den Wunsch nach einer Zwischenfrage vom Kollegen Constantin Grosch. Lassen Sie diese Zwischenfrage zu?
Ja, bitte. Wunderbar, Herr Grosch!
Danke schön, Frau Präsidentin. Sehr geehrter Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Sie haben eingangs von sozialem Sprengstoff auf dem Wohnungsmarkt gesprochen. Ich glaube, insoweit haben wir alle die gleiche Bewertung. Sie haben in Ihren Änderungsantrag ‑ das haben Sie gerade ausgeführt ‑ allerdings auch eine Regelung zur Barrierefreiheit aufgenommen, und zwar, dass nicht jede 8., sondern jede 15. Wohnung rollstuhlgerecht sein soll - wenn ich denn überhaupt ein Gebäude mit entsprechend mindestens 15 Wohnungen baue - so zumindest nach Ihrer Lesart.
Sie haben in der Begründung geschrieben, es gebe barrierefreie und rollstuhlgerechte Wohnungen, die nicht zu vermarkten seien, weil der Bedarf nicht vorhanden sei. Mich und sicherlich auch die Kolleginnen und Kollegen draußen, in der Öffentlichkeit, interessiert, worauf diese Einschätzung beruht. Gibt es dafür Quellen, oder ist das erfahrungswissenschaftlich?
Vielen Dank für diese Frage. Es ist in der Tat so, dass das Rückmeldungen gerade von Investoren und auch von Wohnungsgenossenschaften sind. Wir sind ja alle in Gesprächen mit Verbänden, wir sind alle in Gesprächen mit Wohnungsgenossenschaften, wir sind alle in Gesprächen mit Investoren, und ich bin zudem auch noch ausführender Unternehmer, der eine unmittelbare Rückkoppelung auch von den Auftraggebern erhält. Das ist das Ergebnis dieser Evaluation, die ich eben vorgetragen habe
- Sie können gern lachen ‑, die übrigens auch von den Architektenkammern und vom BDA in der Form so vorgetragen worden ist. Insofern kann ich Ihre Aufregung nicht verstehen. Sie haben ja die ganze Zeit darauf hingewiesen, wie wichtig die Rückkoppelung zu den Verbänden ist. Insofern berichte ich Ihnen jetzt tatsächlich einmal von einer solchen Rückkoppelung.
Sorry, diese Hinweise von Ihnen sind jetzt gerade ein bisschen dünn.
Hier geht es also um praktische Änderungen in der regionalen Vermarktung bei den beiden Punkten, die wir bezüglich der Vermarktungs- und Verkaufsstellen der Landwirte aufgeführt haben.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt auch schon zum Ende, und ich freue mich, dass wir hier in den Dialog gekommen sind. Die Änderung der NBauO zu einer Bauordnung, die loslässt, weniger reguliert und dadurch einfaches und kostengünstigeres Bauen ermöglicht, ist ein Dauerlauf ‑ das hat Gott sei Dank nichts mit einem Fahrrad zu tun, Herr Minister ‑, der in seiner Wirksamkeit immer wieder hinterfragt werden muss. Daher ist die vorgesehene Evaluation Ende 2028 sicherlich sinnvoll; viel wichtiger ist jedoch, dass wir die Maßnahmen schon nach einem Jahr mit den Ausführenden, mit den Praktikern, den Entwurfsverfassern, den Baugenehmigungsbehörden in einem gemeinsamen Dialogforum hinterfragen und gegebenenfalls nachschärfen, um den Wohnungsbau weiter zu fördern.
Ich komme zum Ende. - Wir haben im Bereich des Wohnungsbaus und des Schaffens von Eigentum keine Zeit mehr zu verlieren. Es ist wirklich fünf nach zwölf. Die CDU-Fraktion wird daher trotz der Schwäche dieser Novelle die Änderung mittragen, um Bauen schneller, einfacher und vor allem günstiger zu machen.