Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jede gute Initiative für weniger Bürokratie und mehr Vertrauen in die Unternehmen in Niedersachsen unterstützen wir als CDU-Landtagsfraktion natürlich von ganzem Herzen. Wenn dann auch noch das Handwerk eine zentrale Rolle dabei spielen soll, haben Sie Oliver Schatta und mich als Kreishandwerksmeister sofort angetriggert.
Dennoch ist es überraschend, dass SPD und Grüne plötzlich den Bürokratieabbau für sich entdeckt haben. Dabei haben wir erst im letzten Plenum einen Antrag zur Transformation der Wirtschaft diskutiert, in dem Sie das genaue Gegenteil vorgeschlagen haben. Da ging es um die Einführung eines Transformationsfortschrittsmonitorings mit entsprechenden Berichtspflichten für die Unternehmen und die Einführung von Transformationsräten, die zukünftig den Unternehmen bei der Umsetzung der drei großen Ds auf die Finger schauen sollen - planwirtschaftlich Überregulierung, kombiniert mit einer starken Prise Misstrauen gegenüber den Unternehmen. Als CDU-Landtagsfraktion haben wir jenen Antrag zu Recht abgelehnt.
Ich blende diesen Kontext einmal aus und sage: Eine Entlastung des Mittelstandes und des Handwerks von Bürokratie ist natürlich ausdrücklich zu begrüßen. Vieles aus dem Antrag kommt original aus Forderungspapieren des handwerklichen Mittelstands - was gut ist, da es dann nämlich etwas mit der Realität zu tun hat, zum Beispiel die Einführung eines bundesweit einheitlichen Vergabeportals oder die Stärkung des Once-only-Prinzips.
Bei Ihren eigenen neuen Vorschlägen bleibt der Antrag aber sehr unkonkret und vage. Sie begrüßen beispielsweise den Kompetenzausbau der Clearingstelle - einer Stelle, die während ihrer Einführung durch Wirtschaftsminister Bernd Althusmann gerade vom Ministerpräsidenten Weil noch mit großem Argwohn ob ihrer Notwendigkeit betrachtet wurde. Doch zu der Frage, wie Sie erreichen wollen, dass wirklich alle Ministerien und Ressorts, nicht nur das Wirtschaftsministerium, eng mit der Clearingstelle zusammenarbeiten, sagen Sie nichts Genaues. Im Gegenteil: Sie wollen der Clearingstelle mehr Initiativrechte zugestehen, erinnern aber gleichzeitig an die Befristung der Finanzierung bis zum Jahr 2028, statt eine Entfristung zu fordern. Nach außen wirkt das aus meiner Sicht nicht konsistent.
Stattdessen bedarf es eines Bekenntnisses, welches der Wirtschaft in Niedersachsen glaubhaft macht, dass Sie es wirklich ernst meinen mit dem Bürokratieabbau. Insofern vermisse ich in dem Antrag die Aufforderung an die Landesregierung ‑ ich bin erstaunt, dass Herr Henning sagt, da gebe es noch keine Ideen ‑, endlich den Stand der Bearbeitung der 147 Entbürokratisierungsvorschläge der niedersächsischen Wirtschaft vorzulegen. Schon jetzt bitte ich die Landesregierung, genau zu dieser Frage im Rahmen einer möglichen Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses zu dem Antrag detailliert Stellung zu nehmen.
Sie wollen „Berichts- und Nachweispflichten in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Statistik … reduzieren“ - eine gute Sache! Aber werden Sie doch bitte konkret! In welcher Form soll jetzt mit dem Landesamt zusammengearbeitet werden? Innerhalb welcher Zeit ist das erwähnte Moratorium realistisch? Wie stehen Sie zu einer Verlängerung der Abfrageperioden? Auf welche Weise könnte man endlich erreichen, dass Betriebe nicht mehr trotz eines theoretischen Rotationsprinzips immer wieder ‑ zum Teil über Jahrzehnte ‑ zur Lieferung statistischer Daten herangezogen werden?
Auf meine Frage, ob die Notwendigkeit der vielen Statistiken, die vom Landesamt für Statistik erhoben werden, regelmäßig auch unter dem Gesichtspunkt der Entlastung der Betriebe hinterfragt werde, wurde mir bei der Jahrestagung im Landesamt für Statistik im letzten Jahr mitgeteilt, was hier erhoben werde, sei das absolute Minimum. Diese Antwort macht sehr deutlich, dass es mit minimalinvasiven, oberflächlichen Eingriffen in dieses Amt sicherlich nicht getan ist.
Sie wollen das Vergaberecht vereinfachen ‑ das haben wir gehört ‑, Sie wollen die Wertgrenzen hochsetzen. Da gehen wir mit. Wenn Sie aber mit der Erhöhung der Wertgrenzen mittelstandsfeindlich eine Vielzahl von Aufträgen aus dem Anwendungsbereich des Vergaberechtes auslagern wollen, dann hilft das den ländlich organisierten, mittelständischen Betrieben gerade nicht. Ich vermisse in dem Antrag ein klares Bekenntnis zur Fach- und Teillosvergabe, die kleinen und mittleren Betrieben die Angebotsabgabe ermöglicht. Zusätzlich muss der Wahnsinn der europaweiten Ausschreibung kommunaler Bauvorhaben beendet werden.
Natürlich müssen wir beim Bürokratieabbau auch über das Lieferkettensorgfaltsgesetz sprechen. Was für ein Irrsinn, so etwas ohne Not im nationalen Alleingang einzuführen und damit bundesweit großen bürokratischen Aufwand auszulösen! Jetzt sollen „praktikable Lösungen“ den Mittelstand und das Handwerk entlasten und die Auswirkungen des Gesetzes reduzieren. Was sollen das für „praktikable Lösungen“ sein, wenn beispielsweise ein kleiner handwerklicher Betrieb von einem großen Auftraggeber aufgefordert wird, nachzuweisen, dass die Granitblockstufe, die bei dem Auftraggeber eingebaut werden soll, nicht von Kinderhänden bearbeitet wurde, und der Großhändler dem Handwerker sagt, dass die Blockstufen mit entsprechendem Zertifikat aus demselben Steinbruch in China kommen wie die Blockstufen ohne Zertifikat?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Handwerk und der Mittelstand brauchen keine „praktikablen Lösungen“. Die Forderung muss lauten, das Gesetz im Interesse der Wirtschaft unmittelbar auszusetzen und die Umsetzung der europäischen Lieferkettenrichtlinie ‑ da scheint sich ja etwas zu tun ‑ zurückzustellen.
Diskutieren müssen wir im Ausschuss auch die von Ihnen vorgeschlagenen „Praxis-Checks“. Nicht, dass das Ganze am Ende wieder zu Bürokratieaufwuchs führt, weil „Praxis-Checks“ eigentlich nur von Unternehmen durchgeführt werden können!
So ließe sich das hier noch fortsetzen. Der Antrag enthält ja einige Punkte. Aber sobald man sie hinterfragt, merkt man: Was Sie hier vorbringen, ist ziemlich dünn. Aber eventuell überzeugen Sie uns in den Beratungen doch, dass Sie es mit dem Bürokratieabbau ernst meinen, dass Sie die Unternehmen tatsächlich entlasten wollen und ihnen tatsächlich wieder mehr vertrauen wollen.
Wir als CDU-Landtagsfraktion werden uns in die Beratungen einbringen, um nach Möglichkeit die Glaubwürdigkeit des Ziels eines echten Bürokratieabbaus wiederherzustellen, ohne Misstrauen gegenüber unseren Unternehmen und ohne wirtschaftsschädliche Regulierungen. Wir sind uns nämlich sicher: Ein Bürokratieabbau und eine Entlastung des Mittelstands in Niedersachsen sind machbar.