Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Antrag von Rot-Grün greift ein
aktuell wichtiges Thema auf. Ich vermute, dass jeder von uns hier im Landtag
mittlerweile durch betroffene Bürgerinnen und Bürger für dieses Thema sensibilisiert
wurde.
Niedersachsen gehört zu den Bundesländern mit der höchsten Zahl an
Erbbaurechtsverträgen. Etwa 5 bis 10 % der Bevölkerung leben auf
Erbbaurechtsgrundstücken. Die Klosterkammer ist deutschlandweit der größte
Erbbaurechtsgeber. Viele dieser Verträge stammen aus den 1950er-Jahren und
laufen in den kommenden zwei Jahrzehnten aus. Bis 2045 sind rund 2.600 Verträge
der 17 000 Verträge davon betroffen. Im Zuge der Verlängerungen kommt es - wir
haben es gerade gehört - durch die Kopplung des Erbbauzinses an die stark
gestiegenen Bodenrichtwerte zum Teil zu erheblichen Mehrbelastungen der
Erbbaurechtsnehmer. Das betrifft übrigens insbesondere die Verträge, die unter der
Geltung der Preisstoppverordnung von 1936, die bis 1960 in Niedersachsen Geltung
hatte, abgeschlossen worden waren.
Auch bei Neuverträgen kommt der ursprünglich sozialpolitische Gedanke,
Grundstücksflächen günstig zur Verfügung zu stellen, um beispielsweise geförderten
Wohnungsbau oder das kleine Eigenheim zu ermöglichen, ebenfalls unter die Räder.
In den einzelnen, regional unterschiedlichen Fällen steigen die Erbbauzinsen um
mehrere Hundert Prozent. Dies führt für viele betroffene Haushalte zu existenziellen
Sorgen. Die laufenden Belastungen übersteigen dabei häufig die finanziellen
Möglichkeiten der Erbbauberechtigten. Zudem mindern die hohen Zinsen den Wert
der Immobilien.
Zusätzlich gibt es die Besonderheit, dass auch junges Wohnen, zum Beispiel beim
Studentenwerk in Göttingen, durch diesen rasanten Anstieg der Erbbauzinsen kaum mehr bezahlbar ist bzw. eine Sanierung der Gebäude plötzlich vollkommen
unwirtschaftlich wird.
Obwohl die Verträge zwischen Erbpachtgeber und Erbpachtnehmer eindeutig
formuliert sind und viele Erbbaurechtsnehmer über Jahre von diesen günstigen
Konditionen profitiert haben, sollten die wirtschaftlichen Belastungen in den
betroffenen Regionen für die Erbbauberechtigten nicht in einem solchen Maß
steigen, dass die soziale Tragfähigkeit verloren geht.
Die Klosterkammer verweist zu Recht darauf, dass ihre Einnahmen für zentrale
Aufgaben verwendet werden: die bauliche Erhaltung von Kirchen, Klöstern,
Denkmälern, die Förderung sozialer Projekte sowie kirchliche Bildungsarbeit. Diese
Leistungen kommen der gesamten Gesellschaft zugute und rechtfertigen daher eine
solide Einnahmenbasis. Mittlerweile stellen die Erbbaurechtserträge rund 50 % der
Gesamteinnahmen des Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds dar.
Andererseits, meine Damen und Herren, muss in diesem Kontext schon auch kritisch
hinterfragt werden, warum die Klosterkammer über finanzielle Spielräume verfügt,
um Verluste einer Tochtergesellschaft in Höhe von - aufsummiert - rund 12 Millionen
Euro seit 2008 - gemäß Drucksache 19/7794 - auszugleichen.
Die Klosterkammer ist nach der Landeshaushaltsordnung verpflichtet, die
Erbbauzinsen nach festen Sätzen am Bodenwert auszurichten: 5 % für
Wohnungsbau, 6 % für Gewerbe, 4 % für den geförderten Wohnungsbau. Damit sind
die Gestaltungsspielräume sehr begrenzt. Sonderregelungen, wie sie bereits in
Einzelfällen durch ministerielle Erlasse zugelassen wurden, zeigen jedoch, dass
flexible und sozialverträgliche Lösungen möglich sind.
Der Antrag von Rot-Grün teilt sich in drei wesentliche Bereiche auf.
Zunächst soll durch einen klassischen Delegationstrick ein Gremium gebildet
werden, das sich um das Gebot der angemessenen Vertragsgestaltung und die
wirtschaftliche Tragfähigkeit bei Vertragsverlängerung kümmern soll. Die Einsetzung
eines solchen Gremiums, das gemäß dem Wortlaut des Antrags der Forderung nach einer Fachaufsicht gleichkommt, wäre vermutlich verfassungswidrig. Das Ministerium
ist Stiftungsaufsicht, ansonsten ist die Klosterkammer verfassungsrechtlich
unabhängig.
Für die im zweiten Teil rückblickende Zehnjahresmedian-Bewertung mit Bezug auf
2010 zur Festlegung des maßgeblichen Bodenrichtwertes gibt es kein anerkanntes
bewertungsrechtliches Verfahren. Ein solches Vorgehen verstößt aus unserer Sicht
gegen geltende Rechtsnormen wie § 63 der Landeshaushaltsordnung. Es würde sich
dann explizit haushaltsrechtlich die Frage stellen, warum nur im Falle des
Erbbaurechts zukünftig der volle Verkehrswert der Grundstücke keine
Berücksichtigung mehr finden soll.
Der letzte Teil greift dann die Neuverträge auf und versucht für geförderten
Wohnraum auf angespannten Wohnungsmärkten deutlich reduzierte Zinssätze und
einen Festschreibungszeitraum von 75 Jahren zu ermöglichen. Da es mittlerweile
gerade in sämtlichen Mittel- und Oberzentren angespannte Wohnungsmärkte gibt,
entziehen Sie der Klosterkammer mit dieser pauschalen Regelung zumindest für alle
Neuverträge ihre wirtschaftliche Einnahmeseite zur Sicherung des
Stiftungsvermögens. Dies ist eine klare Benachteiligung des Erbbaurechtsgebers,
also des Grundstückseigentümers, und würde im Ergebnis dazu führen, dass der
öffentlichen Hand bei diesen pauschalen Änderungen Erträge, die zur Erfüllung
öffentlicher Aufgaben bestimmt sind, entzogen und private Vermögen dadurch eben
gestärkt würden.
Bezüglich des Mustererbbaurechtsvertrags möchte ich nur anmerken, das der von
der Klosterkammer verwendete Erbbaurechtsvertrag in wesentlichen Punkten
erbbaurechtsfreundlicher ist als der Mustervertrag. Zu allen Punkten dürften somit
die Beratung, die Unterrichtung und sicherlich auch die Anhörung sehr spannend
werden.
Als CDU sehen wir ebenfalls Handlungsbedarf, meinen aber, dass die
Klosterkammer verbindliche sozialpolitische Optionen für Familien, Senioren,
Studierende oder den geförderten Wohnungsbau erhalten sollte, um somit weiter das Heft des Handelns in der Hand zu behalten, statt durch starre, rechtlich bedenkliche
Normierungen von oben in die Defensive gedrängt zu werden.
Bei Bestandsverträgen sind auch weitere Abschläge bei vorzeitiger Verlängerung
oder die Einführung eines zusätzlichen Nachlasses auf angespannten Märkten oder
für besonders betroffene Gruppen denkbar. Ebenso könnte eine neue Bezugsgröße
für den Erbbauzins wie - von der Klosterkammer Ende Oktober selbst angeregt - die
zehnjährige Bundesanleihe eingeführt werden.
Wir freuen uns auf konstruktive Beratungen, und ich bedanke mich für Ihre
Aufmerksamkeit.





